Bolivien

Die Weiterfahrt über die Grenze nach Bolivien bei Corumbá verläuft problemlos. Allerdings trifft uns in Bolivien ein gewaltiger Kulturschock. In starkem Gegensatz zu der gepflegten, modernen Grenzanlage auf brasilianischer Seite steht das bolivianische Pendant: in gammeligen, armseligen Büros wickeln wir die Grenzformalitäten ab. Das einzige moderne Utensil ist ein PC, auf dem unsere zeitweilige Einfuhrgenehmigung fürs Wohnmobil ausgedruckt wird.

 

Aber: die Grenzbeamten sind freundlich und hilfsbereit!

Doch dann kommt die freudige Überraschung: die ca. 650 km lange Straße nach Santa Cruz ist mittlerweile vollständig asphaltiert, und der Verkehr beschränkt sich auf den Kontakt mit 1 – 2 Fahrzeugen pro Stunde.

 

Auf halber Strecke übernachten wir in Chochi, einer kleinen Ortschaft in einer wunderschönen Landschaft.

 

Ein weiterer Höhepunkt auf der Strecke ist San José de Chiquitos, eine ehemaligen Mission der Jesuiten.

 

In der Kleinstadt werden wir deutlich mit dem weit unter dem Wohlstandsniveau von Brasilien liegenden Lebensstandard von Bolivien konfrontiert. Die Taxis und auch Privatwagen sind in der Mehrzahl "Schrotthaufen", vielfach als "fifth-hand" aus Japan importiert.

Mopeds werden intensiv genutzt und bis zur Grenze ihrer Kapazität ausgelastet.

Die Temperaturen in der bolivianischen Ebene liegen bei bis zu 42 Grad. Wir sind froh, als wir am nächsten Tag den chaotischen Verkehr bei der Durchfahrung von Santa Cruz heil hinter uns gebracht haben und das kleine Kolonialstädtchen Samaipata mit angenehmerem Klima erreichen. Auf einer Höhe von 1700 m wurde es von den spanischen Kolonialherren gegründet, um der Hitze des Tieflands zu entfliehen, was die Wohlhabenderen auch heute noch tun.

Am Wochenende erwacht das verschlafene Städtchen: der farbenprächtige Sonntagsmarkt lockt Besucher aus der Umgebung an.

 

Wir verbringen einige Tage auf der Ökofarm eines holländischen Ehepaars; im gutsortierten Kräuter- und Gemüsegarten können wir uns nach Herzenslust bedienen. Schön ist der Blick von unserem Standplatz in die sattgrüne Hügellandschaft.

 

Die Weiterfahrt nach Sucre ist ein Höllentrip auf einer üblen Piste. Auf einem Großteil der Strecke übers Gebirge wird die Straße neu gebaut: die Behelfspisten sind teilweise extrem steil. Der aufgewirbelte feine Sand erschwert die Sicht und dringt durch alle Ritzen. Wegen einer Sprengung müssen wir in der Gluthiltze über 1 1/2 Stunden warten, bis die Weiterfahrt über die gesprengten Felsbrocken freigegeben wird.

 

Für 230 km brauchen wir über acht Stunden. Entgegen unserer Planung müssen wir in einer am Weg liegenden Ortschaft eine Zwischenübernachtung einlegen.

Sucre gilt als die schönste Stadt Boliviens. All die prächtigen Kolonialgebäude sind weiß gestrichen; Sucre wird daher auch die „weiße“ Stadt genannt und ist die „heimliche“ Hauptstadt Boliviens.

 

Als Zebra verkleidete Figuren regeln hier den Verkehr, da die Bolivianer mit ihrer chaotischen Fahrweise normalen Polizisten keine Beachtung schenken.

Nächste Station ist Potosí, die Silberstadt der spanischen Kolonialherren. Unter unmenschlichen Bedingungen wurde der „Cerro Rico“, der reiche Berg ausgebeutet. Auch heute noch prägt der Silberberg das Bild Potosís. Die Arbeitsbedingungen für die Bergarbeiter entsprechen immer noch nicht dem „EU-Standard“.

 

 

 

Der frühere unermessliche Reichtum ist auch heute noch an der Vielzahl von prächtigen Kirchen und schönen Kolonialbauten zu erahnen.

 

 

Die Weiterfahrt nach Uyuni führt durch eine abwechslungsreiche Gebirgslandschaft.  

 

Die vormals sehr schlechte Piste ist durchgehend geteert.

Der auf 3.700 m Höhe liegende Salar de Uyuni im Südwesten von Bolivien ist mit 12.000 qkm der größte Salzsee der Welt.

Uyuni am Salzsee ist eine aufstrebende Kleinstadt, die neben dem Salzabbau in zunehmendem Maße vom Tourismus lebt. In jüngerer Zeit wurden Lithium-Vorkommen entdeckt, die evtl. in Zukunft zu erheblichem Reichtum führen können.

Wir stellen unser Wohnmobil in einem wenig attraktiven Innenhof eines Hotels ab. In Bolivien gibt es – bis auf wenige Ausnahmen – keine Campingplätze, so dass wir häufig bei Hotels stehen und deren Einrichtungen mitbenutzen. Die Qualität ist sehr unterschiedlich: vom sehr komfortablen Hotel mit Swimming-Pool bis zu dieser nicht so guten Alternative. Allerdings sind die Sanitäreinrichtungen des Hotels gut, was uns sehr wichtig ist.

 

Und: wir können die Innenstadt von Uyuni zu Fuß erkunden.

Uyuni war früher ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt auf der Strecke von La Paz bis nach Antofagasta in Chile. Heute endet die Strecke von La Paz in Uyuni. In der Nähe von Uyuni gibt es einen großen Eisenbahnfriedhof, wo viele alte Loks aus verschiedenen Epochen zu sehen sind.

Am nächsten Tag unternehmen wir eine Tagestour zum Salzsee in einem Landcruiser mit erfahrenem Fahrer. Selbst ohne Kupplungsprobleme würden wir unser Fahrzeug nicht der Belastung einer Fahrt durch das stark salzhaltige Wasser aussetzen wollen.

 

In mühevoller Handarbeit wird auf dem Salar in der extremen Hitze Salz abgebaut. Faszinierend ist die fast überirdisch wirkende unendliche Weite.

Es hat gestern geregnet, und unser Fahrer brettert mit Vollgas über die wasserbedeckte Salzkruste. Das aggressive Salzwasser spritzt über das gesamte Fahrzeug, und wir sind gottfroh, dass wir nicht mit unserem eigenen Wohnmobil unterwegs sind!

Nach ca. 60 km Fahrt erreichen wir die in der Seemitte liegende Insel Inca Huasi. Sie ist über und über mit Kakteen bewachsen. Bei einer Wanderung über die Insel genießen wir grandiose Ausblicke auf den endlosen Salzsee.

 

Am Spätnachmittag fahren wir zurück zu einem komplett aus Salzblöcken gebauten Salzhotel. Selbst Tische und Betten bestehen aus Salz. Hier erleben wir einen wunderschönen Sonnenuntergang. Auf dem Fahnenhügel vor dem Hotel sind Flaggen aus der ganzen Welt gehisst. Für Deutschland ist die Flagge von Borussia Dortmund aufgezogen!

Nach dem erlebnisreichen Tag auf dem Salar müssen wir uns leider einem großen technischen Problem stellen!

 

Unsere Kupplung hatte schon im letzten Jahr bei Pistenfahrten mit großen Steigungen gelitten. Als wir vor ca. 10 Tagen von der bolivianischen Ebene um Santa Cruz ins Hochland nach Sucre gefahren sind, mussten wir auf einer sehr schlechten Piste extreme Steigungen auf sandiger Strecke zurücklegen.

 

Auch die Weiterfahrt auf geteerten Straßen über eine Vielzahl von Pässen über 4000 m belastete unsere schon vorgeschädigte Kupplung – besonders durch unser hohes Gewicht - überproportional.

 

Auf der Fahrt von Potosí zum Salzsee bei Uyuni stellten wir immer wieder jaulende Geräusche mit gleichzeitigem kurzfristigem Anstieg der Drehzahlen fest. In Uyuni konnten wir kaum noch die Bordsteinkante zum Hotelparkplatz überwinden. Die Kupplung griff nur noch auf den letzten Zentimetern des Pedalwegs.

 

Zum Glück haben wir den Geheimtipp für alle Wohnmobilreisende mit Autoproblemen abgespeichert: die Werkstatt des gebürtigen Schweizers Ernesto in La Paz. In einem Telefonat erklärt er sich sofort bereit, uns zu helfen.

Allerdings müssten wir das Auto zu ihm in die Werkstatt nach La Paz bringen!

 

La Paz ist von Uyuni auf zwei Wegen zu erreichen: auf dem direkten Weg, ca. 500 km, davon allerdings fast 200 km übelste Piste. Wir entscheiden uns für den Umweg über die geteerte Strecke, 650 km, die aber über eine Reihe von – landschaftlich sehr schönen – Pässen über 4000 m führt.

 

Mit großer Sorge treten wir die Fahrt an, da diese Straße extrem einsam ist, und fast auf der ganzen Strecke kein Handynetz vorhanden ist, um im Notfall Hilfe zu rufen. Aber wir haben keine andere Wahl, als es zu probieren. Eine Reparatur in Uyuni ist nicht möglich!

 

Gegen Abend erreichen wir die bolivianische Hochebene mit ca. 3700 m Höhe, auf der in etwa 250 km Entfernung La Paz liegt. Ab hier sind kaum noch Steigungen zu überwinden. Wir übernachten auf dem Parkplatz einer Tankstelle und sind ganz euphorisch, dass wir es bis hierher geschafft haben.

Am nächsten Morgen stehen wir früh auf, um die restlichen 250 km nach La Paz in die rettende Werkstatt zu überwinden. Der Motor jault wie immer aufgrund der schlechten Dieselqualität nagelnd auf, nach dem Einlegen des ersten Ganges tut sich nichts. Die Kupplung ist total verschlissen; eine Weiterfahrt ist nicht mehr möglich.

 

Die „Drei von der Tankstelle“ wollen uns einen „günstigen“ Abschleppwagen nach La Paz für über 900 Euro vermitteln. Zum Glück erreiche ich Don Ernesto per Handy in seiner Werkstatt in La Paz. Innerhalb einer halben Stunde schickt er einen Abschleppwagen aus La Paz los, der weniger als die Hälfte kostet!

 

Nachmittags kommt der Abschleppwagen endlich an und nimmt uns Huckepack: seine Ladekapazität ist allerdings aufs äußerste ausgereizt.

 

Da unser WoMo 3,10 m hoch ist, erreichen wir auf der hohen Ladefläche eine nicht unbeträchtliche Gesamthöhe und haben vor jeder Brücke und jedem Kabel Angst. Bis nach La Paz kommen wir ohne Höhenprobleme durch; auf dem letzten Stück in La Paz zur Werkstatt von Ernesto ist es soweit: wir "touchieren" mit lautem Schlag eine Ampel. Wie wir später feststellen, ist zum Glück nichts beschädigt.

 

Trotz der späten Ankunft um 21 h wartet Ernesto in seiner Werkstatt, hilft beim äußerst schwierigen Abladen auf der steilen Straße und schleppt uns bis zu dem Standplatz in seiner Werkstatt, wo wir die Nacht im Wohnmobil schlafen können.

Am Morgen bei der Lagebesprechung stellt sich heraus, dass mit der Reparatur erst einige Tage später begonnen werden kann, da die Werkstattkapazität ausgebucht ist. Ein weiteres Problem ist, dass in Bolivien zwar viele Nissan Navara fahren, allerdings alle mit Benzinmotoren, da Privat-PKW mit Diesel verboten sind. Unser Diesel-Navara benötigt eine verstärkte Kupplung, die möglicherweise nicht erhältlich ist. Aber Ernesto macht uns Hoffnung, unser Problem auf jeden Fall zu lösen. Allerdings: wir sollen uns auf einen Aufenthalt von ca. 7 Tagen einstellen.

Wir beziehen in der Nähe der Werkstatt ein großzügiges Apartment in einem Apart-Hotel von französischen Besitzern. Die Zeit unseres Zwangsaufenthaltes nutzen wir, um die vielen Sehenswürdigkeiten von La Paz und Umgebung zu besichtigen.

La Paz ist einmalig schön gelegen. Die weitläufige Stadt schmiegt sich in eine riesige Felsspalte und erstreckt sich zum Teil auf sehr steilen Hanglagen von ca.3.300 m bis auf über 4.000 m Höhe.

Der soziale Status der Bewohner lässt sich einfach an der Höhenlage der Wohnung ablesen: je höher, desto arm! Oben kleben die kärglichen Behausungen der Armen am Hang, unten stehen die prächtigen Villen der Reichen.

Die Altstadt bietet eine große Zahl von Kolonialbauten, Kirchen und Museen.

 

Am ersten Tag unternehmen wir den Versuch, eine der sehr steilen Straßen zu Fuß zu erklimmen. Nach wenigen Schritten sind wir erschöpft und wegen der Höhenlage kurzatmig. Von da ab lassen wir uns vom Taxi zum jeweils höchsten Punkt des Tagesziels bringen und laufen nur noch bergab. Auf den Service der allgegenwärtigen Busse mit viel Lokalkolorit verzichten wir gerne.

Ein besonderes Erlebnis ist der Besuch des „Hexenmarktes“, wo Tierföten und andere skurrile Heilbringer angeboten werden.

 

Am meisten aber faszinieren uns die Menschen, vor allem die Frauen in ihren zahlreichen verschiedenen Trachten und einer Vielfalt interessanter Kopfbedeckungen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Aber auch für die moderne junge Bolivianerin gibt es die passende Kleidung für das Fest der Liebe!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nur wenige Kilometer hinter La Paz besuchen wir ein weiteres "Mondtal" mit schroffen Felsformationen.

In der Nähe liegt das Schweizer Hotel „Oberland“, der Treffpunkt aller Wohnmobilisten. Wir treffen ein deutsches Ehepaar wieder, das wir im letzten Jahr auf Feuerland kennengelernt haben. Der Nachmittag wird zu einem intensiven Erfahrungsaustausch genutzt.

 

Nach 9 Tagen ist es endlich soweit. Don Ernesto teilt uns mit, dass unser Wohnmobil wieder fahrbereit ist. Wir sind überglücklich, dass die Reparatur gerade noch rechtzeitig vor dem 10-tägigen Weihnachtsurlaub abgeschlossen werden konnte.

Zuerst sah es sehr schlecht aus. Nach dem langwierigen Ausbau der Kupplung wurde überprüft, ob die erforderlichen Ersatzteile bei Nissan Bolivien erhältlich sind. Die Auskunft war negativ, da unser Dieseltyp in Bolivien nicht auf dem Markt ist. Ich kontaktierte Nissan Peru, wo die Ersatzteile erhältlich sein sollen. Allerdings hätte ich sie bei einer zweitägigen Fahrt nach Juliaca in Peru selbst abholen müssen. Plötzlich kommt die Information von Don Ernesto, dass er doch noch eine passende Kupplungsscheibe aufgetrieben hat. Das durch die Hitze verzogene Schwungrad und die Druckplatte werden durch eine Spezialfirma überholt und plangeschliffen.

Wir lassen gleich noch eine große Inspektion durchführen. Auch hier zeigt sich bei der Beschaffung der notwendigen Teile das große Improvisationstalent der Bolivianer. Ersatzteile werden aus irgendwelchen Quellen hervorgezaubert; nicht genau passende Teile werden bei einem Kumpel um die Ecke „adaptiert“. Die halbe Stadt scheint aus Autowerkstätten zu bestehen, allerdings sind die meisten Hinterhofbetriebe bzw. Straßenbetriebe, bei denen Kinderarbeit leider sehr verbreitet ist.

Wir sind froh, dass wir nicht eine derartige „Werkstatt“ in Anspruch nehmen mussten, sondern auf den in jeder Hinsicht überzeugenden Service von Don Ernesto und seiner eingespielten Mannschaft in seiner blitzblanken Werkstatt zurückgreifen konnten.

 

 

 

 

 

Stolz präsentiert das Team nach getaner Arbeit unser Wohnmobil in tadellosem Zustand.

Sofort nach Bezahlung der überraschend niedrigen Rechnung fahren wir aus La Paz heraus in Richtung Titicacasee.

Auf dem Weg müssen wir wieder einmal mit einer abenteuerlichen Fähre übersetzen.

 

Den geplanten mehrtätigen Besuch des Titicaca-Sees müssen wir leider kurzfristig abbrechen, da ich in der ersten Nacht Probleme mit der Höhenkrankheit bekomme. Obwohl wir 10 Tage problemlos in 3.700 m Höhe in La Paz verbracht haben, machen mir die 3.900 m Höhe am Titicaca-See erheblich zu schaffen. Wir beschließen, kurzfristig an die Küste zu fahren und verzichten auf den gebuchten Schiffsausflug auf die Sonnen- und Mondinsel. Da wir früher schon zweimal hier waren, fällt uns der Verzicht nicht schwer.

 

Vorher besichtigen wir noch den Wallfahrtsort Copacabana mit seiner prächtigen Kirche und den mit viel Bier feiernden Pilgern.

Mit einem letzten Blick auf den Titicaca-See verlassen wir Bolivien.

 

Trotz  oder vielleicht gerade wegen  seiner Rückständigkeit empfinden wir im Rückblick Bolivien als das abwechslungs-reichste und interessanteste Land Südamerikas.

Unterwegs in unserem Nissan Navara mit Bimobil Absetzkabine