"Semana Santa" in San Miguel de Allende

Die "Semana Santa" (Karwoche) ist in Mexiko neben Weihnachten das wichtigste religiöse Fest des Jahres. In Prozessionen werden der Kreuzweg und die Auferstehung Jesus Christi authentisch nachgespielt.

In San Miguel finden angeblich die prächtigsten Prozessionen des Landes statt. Schon an normalen Wochenenden wird die Stadt von mexikanischen Touristen überrannt. Da es in der Karwoche in Mexiko eine Art kollektiven Urlaubs gibt, ist halb Mexiko zu attraktiven Touristenzielen unterwegs. Entsprechend voll ist es in San Miguel. Unser Campingplatz bleibt zum Glück von allzu vielen Touristen verschont und wir haben einen ruhigen Rückzugsort nach all dem Trubel in der Stadt.

Am Samstag vor Palmsonntag beginnen die Feierlichkeiten: in Privathäusern werden zum Teil äußerst prächtige Altäre aufgebaut, die der Öffentlichkeit zugänglich sind.

Am Palmsonntag wird Jesus Einritt auf einem Esel nach Jerusalem gefeiert. Die Gläubigen erwerben kunstvolle Gestecke aus Palmblättern und Blüten und lassen diese bei Gottesdiensten weihen.

Der Einritt Jesus wird in einer großen Prozession nachgespielt, wobei eine Statue, die Jesus auf einem Esel zeigt, durch die Stadt zur Kathedrale getragen wird.

Unter sehr lauten "Viva Cristo Rey"-Rufen wird die Christus-Statue in der Kathedrale von den Gläubigen zum Altar geleitet.

Vor der Kathedrale ist ungerührt ein echter Reiter auf einem Esel unterwegs!

Faszinierend ist für uns die Mischung aus tiefer Religiosität und ausgeprägter Lebensfreude: überall in der Stadt sind Märkte und Verkaufsstände aufgebaut, vor den Restaurants bilden sich lange Schlangen. Durch überlebensgroße Puppen sollen Interessenten in die Märkte gelockt werden.  

Montag und Dienstag sind keine Veranstaltungen: wir erholen uns auf dem Campingplatz und durchstreifen uns bisher unbekannte Ecken von San Miguel. In dieser Jahreszeit sind überall prächtige blühende Büsche und Bäume zu bewundern; die ganze Stadt liegt unter einem blauen Schimmer von Jacarandabäumen.

Am Mittwoch wird auf dem "Kreuzweg" der Leidensweg Christi in einer Prozession nachvollzogen. 

In den schön geschmückten Kirchen der Stadt finden neben den Prozessionen Gottesdienste statt. Vor den Kirchen sind zahlreiche Essensstände aufgebaut. Das Fasten scheint in der Karwoche nur eine untergeordnete Rolle zu spielen!

Auch in der Karwoche "brummt" das Leben in der Stadt. Liebespaare lassen sich von prachtvoll gekleideten Mariachigruppen Liebeslieder vorspielen. Bis spät in die Nacht wird am "Jardin", dem Hauptplatz vor der Kathedrale, gefeiert.

Am Karfreitag zieht morgens von der hinter dem Campingplatz liegenden San Antonio Kirche eine Prozession auf einem Blumenteppich durch das Viertel. Sie stellt das Treffen Jesus mit der römischen Kavallerie und der Jungfrau Maria dar. Staunende Kinder sitzen am Straßenrand.

Am späten Karfreitagnachmittag startet die wichtigste und aufwändigste Prozession von San Miguel vom "Templo de Oratorio". Schwarzgekleidete Männer und Frauen tragen lebensgroße religiöse Figuren und einen gläsernen Sarg mit dem Leib Christi durch die Stadt.

Schon früh sichern sich die Schaulustigen Sitzplätze entlang der Prozessionsstrecke.

Am Samstag wird das Kirchengelände in unserer Nähe für eine weniger religiöse Veranstaltung genutzt: bei einem "Oldtimertreffen" können zum Teil abenteuerliche Gefährte bestaunt werden. Unterstützt wird die Stimmung durch lautstarke Pop- und Rockmusik, die unsere Wohnmobile "erzittern" lässt.

Auch Hans, unser Campingplatzbesitzer, präsentiert stolz seinen Käfer von 1972 in Topzustand.

Am Nachmittag besichtigen wir den prächtigen alten Waschplatz von San Miguel und den Templo de Santa Cruz. In der Nähe nisten in den Bäumen wunderschöne weiße Reiher.

Nachts werden wir von einem lauten Feuerwerk geweckt. Mit Böllern und lauten Rufen "Christus ist auferstanden" wird der Ostersonntag gefeiert.

Um die Mittagszeit wird am Ostersonntag die "Verbrennung von Judas" gefeiert. Nach dem urchristlichen Motto "Auge um Auge, Zahn um Zahn" werden überlebensgroße Pappmachépuppen nacheinander angezündet. Bestückt mit Feuerwerkskörpern drehen sie sich zischend und fauchend im Kreis und explodieren zu guter Letzt!

Ungerührt von diesem Spektakel ziehen "überlebende" Puppen auf dem Hauptplatz ihre Bahnen und verteilen Werbeprospekte für Restaurants.

Ostern ist vorbei, und wir haben abwechslungs- und erlebnisreiche Tage hinter uns. Besonders beeindruckt hat uns die für Mexikaner typische Mischung von tiefer Religiosität und gleichzeitiger Freude am Feiern, die die Osterzeit zu einem besonderen Ereignis macht.

Am Ostermontag kehrt wieder Normalität ein, und das Leben in San Miguel geht wieder seinen gewohnten Gang. Wir bleiben noch einige Tage auf dem Campingplatz, treffen Bekannte von früheren Reisen und lernen neue Reisende kennen.

So wird es uns nicht langweilig!

Am kommenden Wochenende fahren wir weiter zu unserem Endpunkt in Tepotzotlán, wo wir unser Wohnmobil bis zu unserer nächsten Reise durchs schöne Mexiko wieder abstellen wollen.